Deutschland verpasst Aufstieg in die A-Gruppe gegen die Schweiz in der Overtime
In einer dramatischen Nervenschlacht fordert Deutschland der Schweiz alles ab und verpasst nur hauchdünn den Siegtreffer. Doch die Schweizerinnen belohnen ihre Geduld und Ausdauer und sichern sich den Sieg im Overtime-Showdown um den 5. Platz und die damit verbundene Teilnahme in der Top-Gruppe auch bei der kommenden WM.
Deutschland und die Schweiz, ein Duell zweier Fraueneishockey-Nationen, die sich in respektvoll-freundschaftlicher Rivalität verbunden sind. Die Ausgangslage vor diesem Spiel bot besondere Brisanz: Deutschland hatte jedes Vorrundenspiel gewonnen, was noch nie vorher in der WM-Geschichte gelang, die Schweiz jede Vorrundenpartie verloren. Ein psychologischer Vorteil für Deutschland, auch wenn man das unterschiedliche Niveau der Schweizer A- und deutschen B-Gruppe berücksichtigen muss. Die Schweizerinnen wiederum hatten positive Erinnerungen an die letzten Begegnungen gegen die Nachbarinnen, die letzte erst vor einigen Tagen im Testspiel in Utica mit Sieg nach Penaltyschießen. Für beide stand also eine Menge mehr als nur Prestige auf dem Spiel: Würde die Frauen-Nati ihren seit 2019 angestammten Platz in der Top-Gruppe behalten? Oder würde das DEB-Team das endlich in Reichweite befindliche Viertelfinal-Ticket für das nächste Jahr lösen und das Thema Abstieg mit einem Schulterzucken quittieren können?
Mit Schwung starteten beide Teams in die Partie. Nach gut zwei Minuten die erste Überzahl für das deutsche Team, das daraus kein Kapital schlagen konnte und zeitweise von der Schweiz unter Druck gesetzt wurde. Harte Arbeit war auf dem Eis angesagt, nicht nur die Scheibe, jeder Zentimeter war umkämpft. Powerplay Nr. 1 in der 10. Minute für die Schweiz, auch dieses gut vom Unterzahlteam verteidigt.
Hatten die Deutschen zunächst ein Plus an Torschüssen auf ihrer Seite, egalisierte sich dies im weiteren Verlauf. Die Schweizerinnen machten Druck, Deutschland hielt leidenschaftlich dagegen und forderte die Eisgenossinnen. In der 18. Minute das erste Tor: Nachdem die Schweizerinnen sich in der deutschen Zone festgesetzt hatten, zog Lara Christen von der blauen Linie ab, Alina Müller mit einem Abfälscher vor Sandra Abstreiter zum 1:0. Die Schweiz blieb am Drücker und in der letzten Minute gefährlich mit zunächst Ivana Wey und dann Rahel Enzler, deren Versuch Abstreiter mit einer starken Parade entschärfte.
Im Mittelabschnitt in den ersten Minuten die Schweiz mit mehr Puckbesitz und Torschüssen, Deutschland ließ kaum gefährliche Aktionen zu. Riesenchance für die Schweiz nach Pass von Lara Stalder auf Alina Müller, deren One-Timer aus aussichtsreicher Position Abstreiter mit einem überragenden Save parierte (28.).
Ein gutes Powerplay für Deutschland, das sich in Sachen Torschüssen angenähert hatte, mit einer Chance für Nicola Eisenschmid (29.). Deutschland nutzte die weit entfernte Bank und spielte die Schweizerinnen fest. Der Lohn eine Sekunde nach Ablauf: Lilli Welcke passte durch die Box, und Zwillingsschwester Luisa verwandelte. Gut zwei Minuten später die Schweizer Replik: Ivana Wey mit Tempo, Übersicht und dem Gespür für den Pass im richtigen Moment auf Lara Stalder, die den Puck durch Abstreiters Schoner beförderte.
Zur 35. Minute deutsches Powerplay mit einer Chance für Katarina Jobst-Smith. Wieder bei Gleichzahl eine sehr gute Chance für die Schweizerinnen, doch Rahel Enzler konnte das 3-auf-2 nicht abschließen. Erfolgreicher war da auf der anderen Seite Emily Nix, die mit dem von ihr bekannten Tempo vorstieß und eine Verteidigerin und Andrea Brändli zum 2:2-Ausgleich überwand (39.). Beinahe gar die deutsche Führung eine Sekunde vor der Pausensirene, Brändli musste ihr ganzes Können gegen Nicola Eisenschmid aufbieten.
Zwingende Chancen waren erst einmal Mangelware im Schlussdrittel. Ein Schreckmoment für die Schweiz in der 45. Minute, als Celina Haider mit Andrea Brändlis Kopf zusammenstieß. Brändli musste vom Eis, für sie übernahm Saskia Maurer. Ihre Teamkolleginnen erhöhten deutlich den Druck auf die deutsche Zone und gaben ihr damit die Möglichkeit zum Aufwärmen.
Ihre erste Prüfung bekam Maurer von Franziska Feldmeier und bestand sie, noch nicht ganz warm (49.). Zur Drittelmitte die zweite Gelegenheit für die Schweizerinnen, ihre bislang schwache Powerplay-Bilanz aufzubessern, genutzt haben sie diese indes nicht. Qualitativ die Schweizerinnen besser, quantitativ Deutschland nun insgesamt in Sachen Torschüssen vorne.
Nach dem letzten Ice Break drängte die Schweiz auf den Sieg, Deutschland verteidigte und ging in den letzten zwei Minuten zum Angriff über und spielte die Frauen-Nati müde. Es blieb torlos und ging in die Verlängerung mit 3 gegen 3.
Sinja Leemann lief mit Tempo zu einer guten Chance, direkt im Konter die Schweiz in höchster Not nach Laura Kluges und Katarina Jobst-Smiths Vorstoß, den Saskia Maurer und Lara Christen mit Mühe und Not abwehren konnten. Die Schweiz im Anschluss dominanter, wieder Leemann (63.) und in derselben Minute Alina Müller. Müller versuchte es gleich noch einmal in einem Sololauf, und Sandra Abstreiter war geschlagen.
Freude und Erleichterung bei den Schweizerinnen, Tränen und doch Stolz bei den Deutschen! Als beste Spielerinnen des Spiels ehrte Deutschland Luisa Welcke, die Schweiz Stefanie Wetli. Zu den deutschen Top 3 wurden Sandra Abstreiter, Carina Strobel und Laura Kluge gewählt, auf Schweizer Seite Alina Müller, Lara Christen und Andrea Brändli.
Deutschland gelingt der Sprung in die Beletage des internationalen Fraueneishockeys nicht, aber das Team hat ein beeindruckendes Turnier gespielt. Es bleibt abzuwarten, wie man sich ohne die im Ausland spielenden Kräfte in den Länderspielpausen auf internationaler Bühne behaupten wird, für die am Ende einer Saison wichtige WM hat man eine ausgezeichnete Visitenkarte hinterlassen. Die Schweizerinnen bleiben auch weiterhin in der A-Gruppe. Das junge Team um Colin Muller bringt mit einer starken Liga und professionellen Strukturen auf vielen Feldern gute Voraussetzungen mit, dass dies auch so bleibt. Aber trotz starker Vorstellungen gegen Kanada und die USA ist eine sorgfältige Analyse des Turniers und der Schwachstellen wie der Offensive, Powerplay und auch Konzentration von der ersten bis zur letzten Sekunde unabdingbar.
13.04.2024, Schweiz – Deutschland (1:0, 1:2, 0:0, 1:0)
Tore:
1:0 (17:58) # 25 Alina Müller (# 17 Lara Christen)
1:1 (30:20) # 13 Luisa Welcke (# 33 Lilli Welcke, # 7 Franziska Feldmeier)
2:1 (32:27) # 7 Lara Stalder (# 13 Ivana Wey)
2:2 (38:18) # 17 Emily Nix (# 25 Laura Kluge, # 11 Nicola Eisenschmid)
3:2 (64:07) OT # 25 Alina Müller (# 22 Sinja Leemann)
Strafminuten:
Schweiz 6, Deutschland 4
Bericht: Tim Sinzenich
Foto: imago images
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